- Heiligabend 1944

"Nun er liegt in seiner Krippen, ruft zu sich mich und dich, spricht mit süßen Lippen: Lasset fahren, liebe Brüder, was euch quält, was euch fehlt, ich bring alles wieder."

Der zur Entscheidung drängende Krieg ließ uns einander bekannt werden, uns miteinander tragen die Last bitteren Erlebens und Erleidens. Dass dem "Fremdling in den Toren" gastliche Stätte und Dienstmöglichkeit ward, dankt er dem lieben Hausvater, der fürsorglichen Hausmutter. Besonders dankbar ist er für die heimatferne Weihnacht im Schoße der geprüften und tapferen Pfarrfamilie. Schenke der treue Gott den Kinderlein fernerhin Schutz und Gesundheit, dass sie wachsen, gesegnet von ihm.

Ihr dankbarer Siegfried Stein,

Pfarrer in Wilnsdorf Kreis Siegen,

z.Zt. Hünfeld O.T. Einsatz

Pfarrer Stein war als sog. "Halbjude" in Hünfeld interniert und musste Zwangsarbeit beim Bau einer Munitionsfabrik leisten, konnte sich aber offenbar frei bewegen. Mein Vater hat Pfarrer Stein sogar Gottesdienste halten lassen.

Nach Aussagen einer Hünfelder Zeitzeugin, die als Dienstverpflichtete im Lagerbüro arbeitete, befand sich das Baugebiet neben der Molkerei Richtung Burghaun. O.T. bedeutet, dass es sich um einen Einsatz der "Organisation Todt" gehandelt hat.  

Details zu dem Lager in Hünfeld

 

- Burghaun, Karsamstag, 31. März 1945

Alles ist in Gottes Hand. Das ist des Lebens großer Trost. In diesem Glauben vereint fand die Seele in diesem Pfarrhaus neue Kraft. Er schirme das Haus und seine Bewohner. Mit einem herzlichen Gott befohlen scheide ich und sage für die Gastfreundschaft ein ebenso herzliches Danke.

Ihr Monnard, Pfarrer

Zu Pfarrer Monnard aus Frankfurt schreibt mein Vater in seinen Lebenserinnerungen: "Er war am Karfreitag bei uns aufgetaucht, hatte sich bei der Wehrmacht offenbar selbst entlassen und seine Uniform und andere Dinge im Pfarrgarten vergraben. "Meine Frauen"  [Großmutter und Mutter] drängten darauf, ihn am Karsamstag abzuschieben, weil sie befürchteten, er könnte bei uns noch als Deserteur aufgegriffen werden."

 

- Der Hausvater schreibt:

Vom Karfreitag 1945, 31. März, bis zum 2. Ostertag, 2. April, war Fräulein Ida Daegelow aus Frankfurt a.M. unser Gast. Sie kam halbtot mit dem Fahrrad bei uns an und bat um Aufnahme. Aus der "Todeszone" von Frankfurt a./M. war sie mit Abertausenden anderen geflüchtet. Hier war sie meistens mit der Familie im Keller und erlebte mit uns die Besetzung des Kreises Hünfeld und unseres Ortes Burghaun durch die amerikanischen Truppen, die in einem ungeahnt schnellen Vormarsch in 10 Tagen vom Rhein bis in die Rhön vorgestoßen waren. Finis regni tertii (Ende des 3. Reiches)!

Am Nachmittag des 2. Ostertages fuhr sie auf ihren eigenen Wunsch weiter, kam aber nur bis Rothenkirchen, wo sie im alten Pfarrhaus bei Fräulein Ruppel (die "Parrgartenmarich") Aufnahme fand. Ihr Ziel ist Lübeck, ob sie in absehbarer Zeit dahin kommen wird?

 

Am Ostersonntag, also am 1. April 1945 waren die  Amerikaner in Rothenkirchen einmarschiert, am Ostermontag dann in Burghaun (siehe Kap. Erinnerungsberichte - Ostern 1945). Damit begann ein neues Kapitel, das viele fremde Menschen in unser Haus brachte.

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