"Hauslehrerin" Christa

In seinen Lebenserinnerungen schreibt mein Vater:

"Noch eine liebe Hausgenossin muss hier erwähnt werden. Am 1. Juli 1945 kam Christa Pohl in unser Haus. Sie stammte aus dem ostpreußischen Ermland, war also römisch-katholisch. Sie war als Studentin durch den Untergang des "3. Reiches" von ihren Eltern und Geschwistern getrennt und arbeitete bei einem Bauern in Mackenzell. Die Hünfelder Apothekerin Frl. Schöpf, mit der Christa bekannt war, kam zu uns und hat uns damals beschwätzt, die Christa doch in unser Haus aufzunehmen. Sie war ein prächtiges Mädchen, fügte sich völlig in die Familie ein, arbeitete fleißig im Haus, spielte, sang und lernte mit den Kindern und blieb acht Monate bei uns (5. 3. 1946), bis sie zu ihren Eltern in Norddeutschland reisen konnte. Auch mit ihr sind wir in Verbindung geblieben."  

Mit Christa Pohl verbinde ich die Erinnerung an einen besonders schönen Kunstunterricht. Wir durften nämlich mit unserem Malwerkzeug in den Garten gehen und draußen malen. Mit Vorliebe ließen wir uns auf einer der Gartenterrassen im Gras nieder und malten nach Anleitung unserer Lehrerin Christa, deren Zeichenkünste wir sehr bewunderten. Da es zu der besagten Zeit länger keinen geregelten Schulunterricht gab, wurde die Christa gewissermaßen zu unserer Hauslehrerin. 

Als uns Christa Pohl verließ, verewigte sie sich im Gästebuch mit einem Gedicht und einer Zeichnung:

Von weit, von Ostpreußen kam ich her, von Haffesstrand und blauem Meer, von wo uns der Krieg mit harter Hand wegriss vom lieben Heimatland.

Acht Monate weilt' ich hier im Pfarrhaus und fühlte mich richtig wie zu Haus, erlernte die Hauswirtschaft nebenbei, wovon mir gar manches war völlig neu.

Jetzt will ich 'ne große Reise starten - Eltern und Geschwister warten, und auf der Frauenschule dann fang ich ein neuses Studium an.

Wohl lockt die bunte weite Welt - heut leider nur ein Trümmerfeld, doch fällt der Abschied mir recht schwer vom lieben Herrn und Frau Pfarrer, bei denen immer, in Freud und Leid ich fand ein warm Wort zu jeder Zeit. Drum danke ich beiden heute sehr für alles, was sie schenkten mir.

Und auch die lieben Kinderchen werd ich noch oft im Geiste sehn, wie sie spielten und sangen, hüpften und sprangen, von morgens früh bis abends spat, wie man's bei ihnen gerne hat. Das Heinzchen aber, glaubt es schier, tät ich am liebsten mitnehmen mir.

Nun sag' ich allen Aufwiedersehn - hoffentlich kann das recht bald geschehn!

Burghaun, vom 1.7.45 - 5.3.46

Christa Pohl

"So schüttelte Goldmarie ihre Betten über Burghaun am letzten Tage meines Hierseins." - Es schneite also zu ihrem Abschied am 5. März 1946!
"So schüttelte Goldmarie ihre Betten über Burghaun am letzten Tage meines Hierseins." - Es schneite also zu ihrem Abschied am 5. März 1946!

 

Ende August 1947 ging Christas Wunsch in Erfüllung:

 

Es waren ein paar sehr schöne, wenn auch leider nur kurze Ferientage, die ich im Pfarrhaus verleben durfte, und trotz der umständlichen Reiserei tut es mir keinesfalls leid, dass ich meine Fahrt von Schleswig Holstein nach München unterbrochen habe. Auch ich werde noch oft an die schönen Stunden zurückdenken und vor allem die wirklich herzliche Aufnahme vom ganzen Haus nie vergessen.

In Dankbarkeit

Christa Pohl

26. - 30. August 47